Bereits in unserem ersten Blogpost haben wir euch vorgewarnt: Wir drei –Lena, Malin und Linda – sind Theaterschaffende! Wir wollen euch nun in einer Themenreihe zeigen, welche Berufe es in unserem Feld am Theater gibt und welche wir genau ausüben! Bevor wir aber ins Detail eingehen und ihr mehr Fragen als Antworten habt, werden wir euch heute zuerst einmal einen Überblick geben, was es mit dem Kostümbild am Theater im Allgemeinen auf sich hat und welche Personengruppen daran beteiligt sind.
Now that I’m on Broadway, it’s like NASA engineering with the costumes.
(Nina Arianda)
I was very grateful for the slightly more high-tech ones in my show,
‚Venus in Fur‘; our costume designer Anita Yavich is kind of a genius.
Was bedeutet überhaupt Kostümbild am Theater?
Das Kostümdepartment am Theater oder beim Film arbeitet an der kreativen Interpretation und Darstellung der Figuren einer Story. Das Kostümbild ist also ein wesentlicher Teil der Charakterisierung einer Figur auf Bühne oder Leinwand. Damit ist es sogar eine der wichtigsten Darstellungs- und Inszenierungsmöglichkeiten, denn neben Haltung und Gestus ist es zumeist das allererste, was das Publikum oder die Zuschauer:innen überhaupt sehen: Figuren in Kostümen.
„In Abstimmung mit dem Bühnenbildner, Regisseur, Dramaturgen und Maskenbildner entwirft der Kostümbildner die Kostüme und zumeist auch die Masken, die für eine Inszenierung benötigt werden. In der Fertigstellung arbeitet er eng mit dem Gewandmeister zusammen, der die Entwürfe praktisch umsetzen muss.“ (GTKOS)
Wie entsteht ein Kostümbild am Theater? Der ganze Ablauf von A-Z
Diese Frage umreissen wir heute nur, ins Detail gehen wir in einem der nächsten Artikel über den Beruf der Kostümbildner:innen – dort zeigen wir euch auch ein paar Figurinen von Lena und Linda!
Startschuss Kostümbild: Die Ideenfindung
Am Theater werden die sogenannten Regieteams bestehend aus Regie, Bühnen- und Kostümbild, zumeist gemeinsam für ein Stück beauftragt. Denn: Eine genaue Absprache und ein gutes Verständnis der Departments sind der Grundstein, da eine Produktion immer Gesamtkonzept verfolgt.
Ist der Auftrag für ein Stück erteilt, geht es zuerst an die Ideenfindung:
Die Kreativteams arbeiten in dieser Zeit sehr eng zusammen: Sie lesen den Text gemeinsam, erstellen Moodboards und recherchieren Themenfelder rund um das Stück. Gemeinsam wird ein inhaltlicher Schwerpunkt festgelegt. Unterstützt werden sie in dieser Phase oft durch eine:n Dramaturg:in, welche:r auch manchmal besondere Wünsche der Theaterleitung mit einbringt.
Eine Idee für eine bestimmte Inszenierung kann bereits vorhanden sein oder die jeweilige Theaterleitung hat besondere Wünsche an das Team, welche umgesetzt werden sollen.
Von der Skizze bis zum fertigen Kostüm
Nach einem Treffen mit Regisseurin und Bühnenbildnerin setzt sich die Kostümbildnerin an ihren kreativen Ort und beginnt ein Kostümkonzept nach den jeweiligen Absprachen zu entwerfen. Als Inspiration helfen oft Plattformen wie z.B. Pinterest, aber natürlich auch etliche Kostümbücher, Kunst Kataloge, laufende Kostümausstellungen oder die neusten Modenschauen der Pariser Fashion Week: Alles dient zur Inspiration!
Es entstehen daraus entweder Collagen, nach denen die Kostüme erarbeitet werden sollen oder Figurinen. Figurinen sind gezeichnete Kostümentwürfe, die alle Details und Einzelheiten auf einen Blick darstellen sollen. Wenn Darsteller:innen bereits feststehen, wird auch deren Körperbau mit in den Entwurf eingebracht.
Mit diesen Ideen und Figurinen macht sich der Kostümbildner auf den Weg zur sogenannten Kostümabgabe in die Kostümabteilung. [Schaut euch gerne unser Pinterest Board dazu an KLICK]
Wie viele Personen am Theater sind bei einem Kostümbild beteiligt?
Dies ist eine sehr lange Liste!!! Je nachdem wie gross ein Haus [also ein Theater] ist, sind mehr oder weniger Personen beteiligt. Für den Entwurf bedeutet das, dass die Kostüme entsprechend unterschiedlich aufwendig angefertigt werden können. Letztlich ist es immer das Ziel, dass am Ende ein fertiges Kostümbild auf der Bühne steht.
Folgende Personen sind häufig an einem Kostümbild beteiligt:
- Kostümbildner:in
- Kostümleitung
- Kostümassistenzen
- Damen Gewandmeister:in
- Herren Gewandmeister:in
- Damen Maßschneider:in
- Herren Maßschneider:in
- Fundusverwaltung
- Garderobier:e
- Maskenbildner:in
Seltener treten folgende Berufsgruppen auf:
- Modist:in
- Schuhmacher:in
- Rüstmeister:in
- Kostümgestalter:in
Die Gesellschaft der Theaterkostümschaffenden GTKOS hat auf deren Homepage alle Berufsbilder zusammengefasst und ausführlich erklärt!
Die Kostümabgabe in der Theater Abteilung
Bei diesem ersten Treffen von Kostümbilder:in in der Kostümabteilung handelt es sich um die Besprechung und Kalkulation der Kostüme mit allen Beteiligten, die Arbeit delegieren müssen. Anwesend sind die Kostümdirektor:in, die Gewandmeister:innen, die Kostümassistenz, Fundusverwaltung und Maskenbildner:in.
Anhand der Figurine werden Stoffarten und Schnittführung besprochen und die Besetzung für die Rollen geklärt. Außerdem werden kostümtechnische Besonderheiten in der Inszenierung besprochen, wie zum Beispiel die sogenannten „Schnellumzüge“ [schnelle Kostümwechsel, die oft zwischen 60-120 SEKUNDEN liegen] auf oder hinter der Bühne. Welchen Bedingungen wird das Kostüm ausgesetzt und müssen mehrere Anfertigungen vom selben Kostüm gemacht werden?
Nach der Kostümabgabe besuchen die Fundusverwaltung, Kostümbildner:in und Kostümassistenz den Kostümfundus. Dort wird überlegt, ob sich bereits vorhandene Kostümteile als originale Kostüme eignen und es werden Probenkostüme ausgesucht und separiert. Probenkostüme werden vor allem benötigt, wenn der:die Darsteller:in ein besonderes Kostüm, was nicht alltäglich getragen wird
Gibt es denn nicht bereits alle Kostüme im Kostümfundus?
Nein, denn meistens ist das Kostümbild speziell für die jeweilige Inszenierung angelegt.
Trotz eines enormen Umfangs an Kostümen im Theater Fundus [kleinere Häuser haben ca. 1000 Kostüme auf Vorrat, größere Haueser oft mehrere 10.000] ist die Wahrscheinlichkeit eher gering, dass genau das eine Kostüm vorhanden ist.
Allerdings kann die Auswahl im Fundus auch als Basis genutzt werden: Man kann Teile verwenden und durch Neues ergänzen oder es kann auch aus einem bereits vorhandenen Kostüm durch kleinere oder größere Veränderungen eine Abwandlung erarbeitet werden. Diese Arbeitsweise ist natürlich sehr nachhaltig. Außerdem ist es immer wieder besonders, wenn alte, in die Jahre gekommene Kostüme wieder ihren Weg auf die Bühne finden.
Manchmal stimmen auch einfach die Größen nicht, die sich ab einer gewissen Diskrepanz nicht ausgleichen und anpassen lassen, oder die Farbe und das Material eines Kostüms sind absolut nicht vertretbar für den Kostümbildner. In diesem Fall wählt man den Weg der Neuanfertigung.
Vom Entwurf bis zum Modellschnitt
Nach der Kostümabgabe als erste Vorstellung der Ideen und Umriss des Aufwandes, folgt zumeist eine Besprechungen zwischen den jeweiligen Gewandmeister:innen und dem:der Kostümbildner:in. Alle Neuanfertigungen nochmals im Detail besprochen. Es kommt nicht selten vor, dass gewisse Kompromisse eingegangen werden müssen: Ein gewünschter Stoff passt nicht zur gewünschten Silhouette, ein Stoff ist zu teuer oder ein Schnitt muss angepasst werden.
Parallel dazu werden von der Kostümassistenz Stoffe und Materialien zusammengesucht und bestellt und Maßlisten aller Darsteller:innen erstellt.
Wenn alle Fragen geklärt sind, können die Schnitte vorbereitet werden und sobald das Material eingetroffen ist, geht es auch schon in die Produktion.
Die Kostüm Anproben
Sobald ein Kostüm zur ersten Anprobe vorbereitet ist [bei Anfertigungen werden die Schnitte dafür meistens nur mit groben Stichen zusammengeheftet] treffen sich alle Beteiligten zu einer Anprobe bei dem:r Gewandmeister:in. Dies sind in der Regel Kostümbildner:in, Kostümassistenz, der oder die jeweilige Schneider:in, ab und an Kostümdirektor:in sowie Maskenbildner:in.
Der:die Darsteller:in zieht die vorbereiteten Kleidungsstücke an. Diese werden auf Passform und Linienführung kontrolliert. Passformfehler werden mit Hilfe von Stecknadeln und Schere temporär korrigiert und die Kostümbildnerin entscheidet über die Richtigkeit der Interpretation und Gestaltung des Kostüms. Außerdem werden alle zum Kostümbild gehörenden Kleinteile und Accessoires anprobiert und es wird eine Auswahl getroffen.
Kommen alle Beteiligten auf einen gemeinsamen Nenner werden Fotos zur Dokumentation und Begutachtung geschossen.
Wie genau eine Anprobe abläuft und was dabei alles zu beachten ist, wird euch nächste Woche Malin in einem Betrag über den Beruf der Gewandmeister:innen erzählen.
Der letzte Feinschliff am Kostümbild
Alle festgelegten Änderungen werden nun in den Gewerken überarbeitet und weitestgehend fertig gestellt. Dann wird – sofern es die Zeit erlaubt –eine zweite Anprobe durchgeführt. Der Sitz des fertigen Kostüms und letzte Details werden erneut überprüft ehe das Kostüm in der Schneiderei fertig gestellt werden kann. Zuletzt werden Namensschilder versteckt eingenäht, sodass falls das Kostüm auf der Bühne ausgezogen wird, es nicht vom Publikum gesehen werden kann. Damit kann es aber von den Garderobieren problemlos nach der Wäsche wieder dem:r richtigen Darsteller:in zugeordnet werden.
Ein Kostüm patinieren
Bevor das Kostüm auf die Bühne kommt geht es oft noch einen weiteren Weg: zur Kostümbearbeitung!!! Dafür können entweder der Malersaal, die Maske, die Requisite, die Kostümassistenz oder Hospitanz verantwortlich sein.
Das Kostüm wird patiniert und bearbeitet. Denn eine Soldatenuniform, die erzählen soll, dass sie im Krieg war, wirkt nur dann wirklich überzeugend, wenn sie entsprechend mitgenommen und dreckig aussieht. Das Kostüm muss „leiden“ um zu leben! Das heisst es wird mit Pinsel oder Airbrushpistole gealtert, mit Sandpapier oder einer Stahlbürste bearbeitet, eingestaubt und verdreckt… Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt! Und spätestens an dieser Stelle wird oft klar, warum zweimal das selbe Kostüm angefertigt werden musste. [Zum Beispiel eine Version vor dem Krieg und eine danach.]
Die Hauptproben am Theater
Jetzt wird es endlich spannend – wir befinden uns nun rund ein, zwei Wochen vor der Premiere. Das Bühnenbild steht, das Licht wurde eingerichtet und alle Gewerke kommen zu den letzten Proben, den sogenannten Endproben, zusammen! Requisite, Ton, Licht, Kostüm, Maske und natürlich die Darsteller:innen selbst stehen endlich gemeinsam auf der Bühne und präsentieren ihre Ergebnisse der vergangenen sechs Wochen.
Die erste Probe wird liebevoll AMA genannt, was so viel wie „Alles mit Allem“ heisst.
Danach gibt es Hauptproben 1 und 2, gefolgt von der bekanntesten Probe: der „Generalprobe“ [die im englischen Dress Rehearsal genannt wird] In diesen Proben wird alles aufs Kleinste überprüft.
Das heißt: Jedes noch so kleinste Detail am Kostümbild und den Accessoires wird betrachtet und beurteilt.
Außerdem werden Probleme für einen reibungslosen Ablauf auf der Bühne korrigiert: Ist ein Schnellumzug nicht möglich und eine andere Verschlussart muss gefunden werden? Ist die Jacke nicht die richtige, da sie vor dem Bühnenbild komplett untergeht? Und warum passt das Kostüm der Hauptdarstellerin nun doch nicht und ist viel zu weit?
All diese Änderungen werden tagsüber in den Werkstätten korrigiert und abends bei der nächsten Probe erneut unter die Lupe genommen. Diesmal mit einem sehr guten Ergebnis!
Und dann ist es auch schon Zeit für die Premiere. Alle Arbeit ist plötzlich vergessen und endlich wird alles vor dem Publikum präsentiert.
Was macht die aktuelle Covid-19 Pandemie mit dem Theater?
Auch wenn wir das Thema am Liebsten ausblenden würden, wollen wir kurz darauf eingehen.
Der Theaterwelt geht es aktuell schlecht. Ob es ihr generell in den Jahren zuvor wirklich gut ging ist eine ebenso gute Frage. Gerade die privaten Häuser, freien Bühnen, freischaffenden Regissuer:innen, Darsteller:innen, Bühnen- und Kostümbildner:innen, die kein festes Engagement an einem Haus haben, leiden sehr stark unter der Schließung aller Häuser in Deutschland wie der gesamten Welt.
The Show Must Go On
Inside my heart is breaking
(Queen)
My makeup may be flaking
But my smile stil, stays on
Es ist ein Kampf ums Überleben und wir werden sehr schnell sehen, wie viele davon überleben konnten. Die staatlichen Gelder erreichen diese Gruppen oft nicht, da sie aus dem Soforthilfe Raster fällt. Unter dem Motto „Ohne Kunst wird’s still“ haben viele Kuenstler:innen und Theatervorstände genau darauf aufmerksam gemacht! Wir müssen die Künste dringend erhalten, denn ohne Kunst, ist ein Land nur noch eine Wirtschaftsmaschine. Die Menschen brauchen Kunst zum Überleben! Wenn ihr euch das Video von dem Jazz Musiker Till Broenner noch nicht angeschaut habt, legen wir euch dieses stark ans Herz!
Der lange und kreative Weg vom Kostümbild am Theater
Wir konnten euch lediglich die Kostümabteilung hier grob umreissen, dennoch bemerkt ihr bestimmt bereits, wie viel Arbeit hinter einer gesamten Theater Produktion steckt! Wenn nun auch noch die anderen Gewerke mitbedacht werden ist das ein ziemlich großer Arbeitsaufwand, der sich aber immer wieder aufs Neue lohnt!
Die Theaterwelt ist ein Mikrokosmos für sich: bunt und vielfältig, laut und chaotisch!
Wir lieben es, am Theater zu arbeiten und freuen uns, wenn der Vorhang endlich wieder aufgehen kann!!! Und bis dahin gibt es hoffentlich immer wieder Übertragungen im Netz entweder auf https://nachtkritik.de oder z.B. bei den britischen Kollegen des National Theaters!
Welcher Bereich der Kostümerstellung hat euch besonders begeistert oder überrascht? Seid ihr schonmal hinter den Kulissen an einem Theater gewesen und konntet sehen, wie viele fleissige Menschen mit viel Herzblut daran arbeiten?
Schreibt es uns in die Kommentare!
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