Wie schon im Artikel von letzter Woche angekündigt, möchten wir euch in unserer Betragsreihe die Berufe rund ums Kostüm am Theater vorstellen.
Heute stellen wir euch vor, was eine Gewandmeisterin und ein Gewandmeister so tagtäglich tun.
Clothes make a statement. Costumes tell a story.
(Mason Cooley)
Was ist eine Gewandmeisterin?
Die Gesellschaft der Kostümschaffenden GTKos fasst es sehr schön zusammen:
„Der Gewandmeister ist für die praktische Umsetzung der Entwürfe des Kostümbildners zuständig. Er sorgt für die stilgerechte, fachmännische, termingerechte und wirtschaftliche Realisierung der vorgegebenen Entwürfe.“
Neben dem Theater kann eine Gewandmeisterin auch für Fernseh- und Filmproduktionen arbeiten, in einer festen Anstellung oder freischaffend.
Die Aufgabengebiete der Gewandmeisterin umfassen die Umsetzung des Kostümentwurfs, die Schnitterstellung sowie die Anproben der Kostüme und die Betreuung der Endproben. Je nach Größe eines Theaterbetriebes können auch andere Aufgaben wie die Kostümanfertigung, die Organisation einer Werkstatt oder die Leitung der Kostümabteilung hinzukommen.
Etymologie: Woher kommt das Wort Gewand?
Das Wort „Gewand“ kommt vom mittelhochdeutschen Wort „gewant“ und dem althochdeutschen „giwant“ was soviel wie gewendetes oder gefaltetes Tuch bedeutet.
Während umgangssprachlich das Wort Gewand hauptsächlich für festliche oder liturgische Kleidung Gebrauch findet, wird es im süddeutschen und österreichischen als Synonym für Kleidung allgemein verwendet. [Was denkt ihr, wie oft wir schon irritiert waren, als Lena von ihrem G’wand erzählt hat?!]
Im Englischen Sprachraum hingegen existiert diese Wortherkunft nicht. Man spricht dort entweder von spricht man entweder von Costume Cutter und Costume Interpreter. In Amerika wird der Beruf auch First Hand und Draper genannt. [Dort werden die Schnitte an der Schneiderpuppe eher drapiert, als auf Papier konstruiert.]
Wie wird man Gewandmeister?
Es gibt in Deutschland zwei Institutionen, an denen man den Beruf entweder in schulischer Weiterbildung oder in Form eines Studiums erlernen kann: In Hamburg und in Dresden.
Welche Voraussetzungen muss ich erfüllen?
Zur Fortbildung an einer der beiden Institutionen müssen unterschiedliche Bedingungen wie eine fertige Ausbildung im als Damen- oder Herrenschneider:in erfüllt sein.
Daneben müssen Bewerber:innen vor allem Liebe zur Kostümerstellung und Kreativität mitbringen. Denn neben dem Zeichnen und Anfertigen von Kostümen werden viele weitere Techniken [z.B. Sticken, Färben oder Plissieren] von Hand erlernt.
Wo kann ich den Gewandmeister erlernen?
An der Beruflichen Schule Holz.Farbe.Textil in Hamburg erfolgt die Ausbildung in einer zweijährigen Weiterbildung. Diese wird entweder für die Herren-Schnittkonstruktion oder für die Damen-Schnittkonstruktion belegt.
An der Hochschule für Bildende Künste in Dresden kann das Studium Kostümdesign für 8 Semestern besucht werden. Auch dort entscheidet man sich entweder für die Damen oder Herrenmode.
Was wird in der Ausbildung zum Gewandmeister gelehrt?
Die Ausbildung deckt eine Bandbreite an Fächern ab: der Fokus liegt auf der jeweiligen Schnitterstellung [Damen- oder Herrenschnitt], auf Kostümgeschichte, Kostümgestaltung und Interpretation von gezeichneten Figurinen [Kostümzeichnungen]. Außerdem werden regelmässig praktische Arbeiten angefertigt. Damit wird die Richtigkeit der gezeichneten Schnitte kontrolliert und es werden neue oder historische Verarbeitungstechniken kennen gelernt.
Auf Wunsch kann bei beiden Institutionen auch die andere „Seite“ erlernt werden, allerdings nur mit dem doppelten Zeitaufwand, denn parallel ist dies nicht machbar. [Und aus Erfahrung kann ich sagen:
Da ist man froh, wenn man nach 10 Stunden Anwesenheit nach Hause darf!]
Wie viel Geld kostet die Weiterbildung?
Beide Institutionen sind staatlich. In Hamburg gibt es keine Studiengebühren (außer die typischen Kopierkosten). Aber man muss damit rechnen, dass man für Kosten für Material wie Zuschneidepapier und Stoff selbst aufkommen muss. Diese Materialien sind in regelmäßigen Intervallen selbst zu besorgen. Es wird daher empfohlen 100 € pro Monat einzuplanen.
Zu den laufenden Materialkosten muss in Dresden zusätzlich ein Semesterbeitrag entrichtet werden.
Die Aufgaben der Gewandmeister am Theater
Die Aufgaben der Gewandmeister:innen am Theater starten mit der Kostümabgabe und der Veröffentlichung der Besetzungsliste. [Wenn ihr noch nicht wisst, was das genau ist, schaut doch in den Blogpost von letzter Woche rein – damit erklären wir die Stationen eines Kostümbildes.] Aufgabe der Gewandmeisterin ist, eine Figurine in ein dreidimensionales Kostüm zu verwandeln. Wünsche und Probleme werden in regem Austausch mit dem:r Kostümbildner:in erörtert – dabei müssen manchmal wegen Zeit- oder Geldmangel leider Kompromisse gefunden werden.
Daneben kümmert sich die Gewandmeisterin auch um organisatorische Fragen: Sind die Maße von den Darsteller:innen bekannt oder müssen die Maße angefragt oder neu vermessen werden? Welches Material eignet sich am besten für den Entwurf und wieviel muss bestellt werden? Wie lange braucht die Werkstatt für die Herstellung eines Kostüms?
Die Schnitterstellung
Nun geht es ans Eingemachte: Ein Maßschnitt wird für die darstellende Person erstellt. Zuerst wird er in einen Modellschnitt abgeleitet. Dieser entspricht den genauen Proportionen und Linien der angefertigten Figurine.
Erst dann [je nach Aufwand kann bis dahin schon ein ganzer Tag vergehen vergehen] und sofern das Material bereits vorhanden ist, kann der Zuschnitt beginnen. Für die Solist:innen nimmt man sich in der Regel mehr Zeit: da sie im Vordergrund stehen, müssen sie perfekt in Szene gesetzt werden und sich vor allem auch in ihren Kostümen wohlfühlen. Der Opernchor hingegen wird systematisch zugeschnitten. Das heißt aber nicht, dass weniger Mühe für Passform und Silhouette aufwendet werden!
Die erste Kostüm Anprobe
Nach dem Zuschnitt wird das Kostüm in die Werkstatt weitergereicht: ein:e Schneider:in bereitet es dann zur ersten Anprobe vor. In einer kurzen Besprechung erörtert man gemeinsam, um was es genau geht: Wie soll das Kostüm fertig aussehen, welche Besonderheiten hat der Körper des:r Darsteller:in und welche handwerkliche Verarbeitung ist gewünscht.
Ja ihr lest richtig: Die meisten aufwendigen Kostüme werden von richtigen Menschen an der Nähmaschine genäht! Und das ist auch das Tolle daran! Wir können uns oft individuell austoben: jede Schneiderin hat ihre eigenen Vorlieben und besonderen Hingaben. Die Werkstatt ist ein lebendiger Ort des Austauschs an Wissen und Können!
Sobald das Kostüm vorbereitet ist, wird der:die Darsteller:in zur Kostümanprobe bestellt. Diese findet immer gemeinsam mit dem:r Kostümbildner:in statt. Der:die Gewandmeister:in überprüft die Passform. Es wird besprochen, ob die Zeichnung richtig interpretiert wurde. Außerdem wird mit dem:r Darsteller:in überlegt, ob sich während der Probenzeit bereits spezielle Anforderungen ergeben haben: Welchen Bedingungen wird das Kostüm ausgesetzt? Muss die Verarbeitung entsprechend angepasst werden? Ist das Kostüm bequem?
Die Endproben am Theater
Das Originalkostüm kommt zum ersten Mal zu den sogenannten Endproben auf die Bühne. Dies geschieht in der Regel nach etwa 6 Wochen Probenzeit. Die Gewandmeisterin ist im Zuschauerraum dabei und schaut sich alle Kostüme auf der Bühne an. Fehler werden erfasst und Änderungen notiert. Meistens gibt es noch ein paar Kleinigkeiten, die nachbearbeitet werden müssen: Ein zu langer Hosensaum, ein doch zu enges Kleid oder ein Cape, das dauernd von der Schulter rutscht.
No matter how many modern parts I do,
(Helena Bonham Carter)
people still refer to me as Mrs. Costume Drama.
Malin’s Weg zum Beruf der Gewandmeisterin
Nach dem Abitur
Mein persönlicher Weg zur Gewandmeister führt uns zurück ins Jahr 2007 nach Berlin. Es ist Februar, sehr kalt und nass. Ich wollte schon immer ein Praktikum in der Deutschen Hauptstadt machen und wurde bei einem Latex Kleidungslabel angenommen. Nach nur 2 Tagen wusste ich allerdings: Das will ich nicht machen!
Als ich am dritten Tag mit meinem Fahrrad durch Berlin fuhr, bog ich irgendwann in die Hufelandstraße ein. Warum? Ich weiß es nicht mehr genau. Ich mochte wohl den Namen. Dort entdeckte ich das Atelier der Gewandmeisterin Petra Becker und einen Zettel im Schaufenster: „Leider bin ich gerade im Urlaub, wenn es was wichtiges gibt, bitte anrufen.“ Gesagt getan.
Praktikum und Ausbildung zur Maßschneiderin
In der darauffolgenden Woche fing ich ein Praktikum bei Petra Becker an. Und bald hatte ich nur noch ein Ziel vor Augen: Gewandmeisterin!
In meiner Zeit bei Petra fertigten wir unter anderem Superheldenkostüme für die Band „Wir sind Helden“ und deren Musikvideo „Endlich ein Grund zur Panik“ an. [Ich freue mich sogar heute noch immer wieder, wenn ich über den Song und die Band stolpere!] Da Petra zu dem Zeitpunkt leider keine Auszubildenden aufnahm, verschlug es mich nach dem Praktikum in die Pfalz. Dort machte ich drei Jahre lang meine Ausbildung zur Maßschneiderin.
Gesellenjahre und Herrenjahre
Nach meiner Ausbildung landete ich als Gesellin in der Herrenschneiderei an einem Theater. Und seither komme ich davon nicht mehr weg! Lediglich ein paar Umzüge waren noch zu meistern bevor ich endlich den Schritt wagte und mich in Hamburg als angehende Herrengewandmeisterin bewarb.
Die Gewandmeister Schule in Hamburg
Wir wurden in der Schnittkonstruktion im klassischen sowie historischen Herrenwerk ausgebildet. Kostüm- und Theatergeschichte, Kostümgestaltung und Kalkulation waren ebenso Teil der Ausbildung wie Kommunikation, Fachenglisch und Wirtschaft.
Daneben hatten wir wechselnde Kurse. Eine besondere Herausforderung stellte für mich als Vegetarierin und Tierschützerin ein halbjährigen Leder- und Pelzkurs da. In den Sommerferien belegte ich zusätzlich noch einen Hutkurs. Dort fertigte ich einen grünen Bowler an (auch bekannt unter Melone) und einen Strohhut. Da ich zu meiner Abschlussprüfung einen Zylinder anfertigen wollte, und das Handwerk der Hutmacher:innen sowieso verehre, brauchte ich die Praxis, um ein wenig mehr in diese Materie einzutauchen.
Der Abschluss als Gewandmeisterin
Die zwei Jahre in Hamburg vergingen wie im Fluge – das passiert ja immer, wenn sehr viel um einen herum los ist und es auch noch Spaß macht. Neben Schnittgestaltung für moderne Herrenkleidung lernte ich aber die historischen Aspekte der Kleidung lieben und komme seit dem nicht davon los! Ich bin ein grosser Fan von der „englischen Mode“ um das Jahr 1800. Die eleganten Silhouetten der Männer von 1880 haben es mir genauso wie die der 1920er angetan! Mein Meisterstück fertigte ich im Zeitgeist des Biedermeiers und Zweiten Rokokos und erschuf ein Kostüm für den Autor Hans Christian Andersen an.
Und natürlich lernte ich an der Schule auch sehr gute Freund:innen kennen, mit denen ich immer noch regelmäßig Kontakt habe! Und wir tauschen uns ständig über Serien und Filme aus, die es wegen der Kostüme wert sind, zu gucken! Die Zeit an der Elbe möchte ich wahrlich nicht missen!
Mein Weg bis dorthin hat 9 Jahre gedauert, aber es war (fast) jede Minute wert! Ich bin froh, dass ich mich getraut habe, meinem Traum nachgegangen zu sein und immer noch tagtäglich weiterhin etwas dazu lernen darf! Denn das Themengebiet der Kostümherstellung ist so gross, dass man nicht annähernd alles gelernt hat, sobald man den „Meister in der Tasche hat“.
Abschließende Worte
Der Beruf der Gewandmeisterin ist facetten- und abwechslungsreich und kann von Theater zu Theater unterschiedlich aussehen. Langweilig wird es jedoch nie!
Habt ihr noch Fragen zu dem Berufsbild?
Wollt ihr selbst einen Beruf am Theater erlernen oder in der Kostümwelt? Sagt es uns!
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